Zweimal den Ith

Bei den Freunden des Kreuzworträtsel Sports ist der Ith schon länger als „Höhenzug im Weserbergland“ mit drei Buchstaben bekannt.

Dass dieser Höhenzug inzwischen auch mehr und mehr Freunde des Radsports der Kategorie für Steigungen im 2-stelligen % Bereich gewinnt, lässt sich daraus ableiten, dass die unter dem Namen Fisch bekannte Allrounderin aus Süddeutschland  mit ihrem Ehemann Harald, der in der offenen  Klasse „ohne Helm“ fährt, dem Ith die Ehre zu Teil kommen ließen, ihn hin auf einer 10er und zurück auf eine 11er % Steigung zu queren.

Begründet wird die offene Klasse „ohne  Helm“ mit dem Reglement, dass z.B. in der Fahrer-Kategorie über 100kg, ab 6% Steigung das Fahrrad geschoben werden darf. Es ist unumstritten, dass im Schiebe-Mode ein Helm eher lästig ist. Kritiker fordern jedoch seit langen, dass auf abschüssigen Strecken ab 6 % Gefälle das Sportgerät ebenfalls zu schieben sei.

Vorbereitet und organisiert wurde das Meeting vom ehemaligen Lokalmatadoren Click, der den Ith als sein Trainingsgelände nutze um sich auf die mehrmalige Überquerung der Alpen vorzubereiten. Wer nun daraus ableitet, dass Click auf Grund besserer Ortskenntnisse einen Vorteil gegenüber dem süddeutschen Duo hätte, den belehrte die Realität eines anderen.

Oft hat der einstige Alpenbezwinger nur die Rücklichter von Fisch beim Ith-Cross –Hin auf der 10er % Strecke gesehen.

Selbst Einschüchterungsversuche, die bislang immer eine Wirkung gezeigt haben, die beiden Sportler in eine bis weit in den Berg hinein gehende dunkle Höhle zu locken, die sie dann verängstigt und zitternd verlassen würden, verfehlte ihre Wirkung total.

Die Abfahrt vom Ith war auf   Grund umfänglicher Straßenbau-Maßnahmen komplett gesperrt. Harald überzeugte den wachhabenden Oberingenieur davon, dass wir jetzt und hier diesen gesperrten Weg gehen würden und… er bekam ein „GO“ für den Schiebemodus.

Der weitere Abstieg vom Ith erfolgte über einen steilen, verschotterten Waldweg, dessen Beschaffenheit es geraten ließ, jegliche Bremswirkung ausschließlich vom Hinterrad ausgehen zu lassen. Kommt es durch unbedachtes Bremsen zur Blockade des Vorderrades, läuft man Gefahr, das Sportgerät mit unübersehbaren Folgen, im Hechtsprung verlassen zu müssen.

Das angesteuerte Ziel ist die Münchhausen Stadt Bodenwerder. Das Team verordnet sich eine Erholungspause und findet Gefallen an den unterschiedlichsten Eis-Kreationen.

Über den Rückweg hatte bislang niemand ein Wort verloren, klar war jedoch, dass das Radler- Camp, von wo wir aufgebrochen waren, vor dem Ith lag, wir befanden uns jetzt aber hinter dem Ith. Um also wieder zurück zum Camp zu kommen, müssten wir irgendwie wieder vor den Ith kommen. Das ging nur über den Ith.
Harald machte den Vorschlag des seitlichen drum herum Fahrens. Diese neue Variante wurde jedoch sofort von Click, dessen Ortskenntnisse  bestenfalls   mit rudimentär zu bewerten waren, zurückgewiesen. Er verwies auf das fehlende Kartenmaterial und dass er nicht die Zeit habe, einen Tagesausflug auf unabsehbare Dauer zu verlängern.  
Fisch warf ein, dass man auf garkeinem Fall auf dem gleichen Weg zurück fahren sollte, man sei hier um Urlaub zu machen und will die Vorzüge dieser Gegend kennenlernen.
Click schlägt vor, zunächst bis in den Ort Halle zu fahren, dort gabelt sich die Straße und vom entlangfahren mit dem Auto, verfüge er auch über notwendige Ortskenntnisse, um die Variante  an der Gabelung nach links, nicht zu empfehlen. Gerade Streckenführung, keine Serpentinen, dafür geht’s irgendwann senkrecht berghoch, zitierte Click aus seiner Erinnerung „Wir müssen herausfinden, wohin die andere Straße an der Gabelung führt.

Das Team setzt sich in Bewegung. Unter der Ungewissheit über den Weg zurück, kann es zur Entwicklung einer persönlich empfundenen Bedrohung kommen, die sich in unserem Fall in der plötzlichen Feststellung entlud:  „Wasser ist alle.“ Dem aufmerksamen Leser stellt sich nun das folgende Bild: Mitten im  Ort, eine versetzte Kreuzung und verzweifelte Gesichter. Harald ist dabei, Getränke LKW’s u stoppen, um dem Fahrer vom Ernst unserer Lage zu unterrichten. Fisch hat sich abgesetzt und versucht Wasser zu besorgen. Click nimmt Kontakt mit den Einheimischen auf, um die günstigste Rückfahrt Variante zu eruieren.
Die Grausamkeiten Variante 1 waren bekannt, niemanden sei es zuzumuten, diesen brutalen Anstieg hoch zuackern. Es musste herausgefunden werden, ob die an der Gabelung sich abspaltende rechte Variante auch eine für uns zielführende Alternative ist. Bei seinen Recherchen bzgl. des Weges hatte Click die Info, dass der Abzweig dort nach rechts, auch über den Ith würde führen.

Bei der Befragung der Einheimischen nach dem Weg, sollte man auch einige Regeln beachten. Eine der Wichtigsten ist, niemals die Frage an 2 Personen gleichzeitig zu stellen. Beachtet man diese Regel nicht, läuft man Gefahr, unterschiedliche Antworten zubekommen die zunächst in verbalen Entgleisungen  oder gar in Handgreiflichkeiten enden, aus dem man sich nur schwer befreien kann.   Egal jetzt, wir entscheiden uns für die Variante 2 und biegen nach rechts ab.

Heiß und unerbittlich schickt die nachmittags Sonne ihre Strahlen auf die mühsam dahin radelnde Gruppe. Die zu bewältigenden Anstiege sind lang, moderat in der  Steigung und entsetzlich schattenlos. Nach etwas mehr als 6 km treffen wir auf eine Hauptstraße und müssen zur  Kenntnis nehmen, dass diese Straße die Variante 1 ist, für die wir uns nicht entschieden haben. Nun sind wir doch drauf, nach 6km Umweg sind wir mal gerade 2 km vorangekommen. Wenn doch nur diese heiße Sonnen nicht so erbärmlich auf uns prasseln würde. Es werden durchhalte Parolen ausgegeben und es werden Alternativen diskutiert. Wir haben keine Chance, also in den Sattel und weiterfahren.

Haus Harlingerode, ein Haus am Straßenrand, zerschlagene Scheiben, Staub und erbarmungslose Hitze. Der Tross stoppt. An dieser Kreuzung müssen wir nach rechts abbiegen. Aber an dieser Kreuzung wird auch deutlich, warum Click diesen Rückweg für nicht zu empfehlen markiert hat. Wie ein Strich führt dieser 11%er nach oben. Die eigentliche Stille wird regelmäßig von großen LKW’s gebrochen, die in einer großen Staubwolke abfahren, was  ein Steinbruch hoch oben liefert. Harald summt leise Ennio Morricones „Lied vom Tod“.
Schluss jetzt mit der Gefühlsduselei! Zusammenreißen und hoch da. Fisch reagiert als erste, Sie schwingt sich in den Sattel und nimmt Fahrt auf, richtig Fahrt. Sie verfolgt die Taktik, eine hohe Anfangsgeschwindigkeit  ist die Grundlage weit zu rollen. Wird aber nichts. Sie stoppt am nächsten schattenspendenden Baum. Harald verlässt nach einigen Metern den Sattel und geht sofort in den Schiebe-mode über.
Click sucht in seinen Bergerfahrungen nach einer Taktik für dieses Gelände. Findet allerdings nichts und motiviert sich mit der „NO PUSH“ Strategie (Geschoben wird nicht). So macht dann jeder was er kann und wie er kann  und irgendwann sind alle oben. Der erste Eindruck lässt den Schluss zu dass niemand mit bleibenden Schäden zu rechnen hat. Zweimal den Ith, bei Gluthitze, muss ja nicht jeder so verrückt sein.