Geschichten aus der Provinz

Wenn ich es nicht selber gesehen hätte,

Die Geschichte die ich erzählen will, spielt in einer kleinen Stadt in der niedersächsischen Tiefebene. Wer mit den Örtlichkeiten besser vertraut ist, dem mag der Name Gronau etwas sagen. Wobei es mir wichtig ist zu  erwähnen, dass niemand ein Defizit an Allgemeinbildung zu befürchten hat, wenn solche Details aus der niedersächsischen Provinz nicht so gleich jedem geläufig sind.

Nein, man führt hier ein beschauliches Leben und geht die Dinge in Ruhe an, die so ein normaler Tag an  die Leute heranträgt.

Dann sollte auf der grünen Wiese, vor den Toren Gronaus, ein Fachmarktzentrum mit riesigem Parkplatz gebaut werden. Es wurde heftig und leidenschaftlich diskutiert. Das  Für und Wider, hielt sich die Waage und nach drei Jahren war die Situation  festgefahren und verrannt, Was nun?

Alle Beteiligten, egal ob aus dem „Für“ oder „Wider“ Lager, waren sich einig, dass diese besondere Situation einer außergewöhnlichen Lösung bedurfte. Niemanden schließlich sei es zu zumuten, dass er sein Gesicht verlieren sollte. Ob es nun der sprichwörtlichen Bauernschläue zuzurechnen ist, oder ob gut unterrichtete Kreise das Schlagwort in den Ring geworfen haben, verbleibt bis heute im Dunkeln.

Jemand hatte das Wort "Feldhamster" lanciert, mit der Folge, dass binnen weniger Stunden die Naturschutzbehörde des Landkreises das Thema aufgriff. Auf einem vielseitigen Dokument ließ die Behörde den Akteuren um das Fachmarktzentrum wissen, dass dort wo der seltene und des Aussterbens bedrohte, seit vielen Jahren in der „Roten Liste“ geführte, Feldhamster zu Hause sei, kein Platz wäre für irgendeine Baumaßnahme. Die zu erwartenden Proteste fielen geringer aus als befürchtet. Im Grunde konnten alle Beteiligten gut damit leben, dass man nun statt des geplanten Fachmarktzentrums einen Feldhamster bekam.

Somit hatte alles seine Ordnung und ich verstehe die Kritik derer, die bis zu diesem Punkt nichts bemerkenswertes an dieser Geschichte finden können und sich fragen, warum es sich denn überhaupt lohne, diesen nüchternen Bericht zu verfassen. Diesen Gedanken könnte ich teilen, wenn, ja wenn das Thema Feldhamster hier abgehakt werden könnte........

Im Laufe der folgenden Wochen verlor sich der Diskussionsfaden um  das Fachmarktzentrum so langsam und auch die Tatsache, offensichtlich in direkter Nachbarschaft mit einem Feldhamster zu leben, spülte keine nachhaltigen und substanziellen Diskussion in die Köpfe der Bürger . War doch der Feldhamster selbst ein eher theoretisches Thema, denn niemand  wusste bis dato von einer persönlichen Begegnung mit dem seltenen Nager zu berichten.

Dann war da plötzlich ein Loch in unserem Rasen. Tags drauf steckte in dem Loch ein Zierkürbis, der, gedacht zur Dekoration seinen eigentlichen Platz auf dem Trittstein vor der Haustür hatte. Es war deutlich zu beobachten, dass an dem für dieses Loch etwas zu große Zierkürbis  irgendetwas zog und zerrte um die Frucht dennoch in das Loch zu befördern.

Wie jetzt? Eines dieser seltenen und schützenswerten Exemplare  bei  uns auf dem Grundstück? Bange Fragen die sich stellen, weiß man doch nicht wie lange ein solches Tier zu bleiben gedenkt und außerdem steht zu befürchten, dass man auf die zu erwartenden Früchte des Gartens einen zusätzlichen unkontrollierter Zugriff  vermuten  darf,  der so nicht hinnehmbar sein würde.

 Ungeübt in diesem Thema, viele Fragen, keine Antworten. Welche Schritte sind zu tun und welche sind zu lassen, um in harmonischer  Gemeinsamkeit  mit einem Feldhamster ein Gartengrundstück zu teilen?  Mit dem Ziel, einen Kompromiss  zwischen den persönlichen und den Interessen des Feldhamsters zu finden, entwarfen und verwarfen wir so manchen Gedanken. Wir waren ziemlich hilflos und wollten die Entwicklung  zunächst in Ruhe  studieren.  Selbst Hand, gar an das Leben dieser so selten Kreatur zulegen, verbot sich von selbst und so vertrauten wir zunächst einmal darauf, dass die Natur selbst eine Lösung findet für Feldhamster, die in ein Gartengrundstück einziehen. So ganz langsam wurde uns bewusst, dass  den verschiedenen Katzen der Nachbaren es nicht entgangen ist, dass sich auf unserem Grundstück etwas Besonderes abspielt.

Der bei uns eingezogenen Feldhamster, der sich uns inzwischen offen zeigt, wenn er die auf unserer Terrasse ausgelegten Äpfel, die eigentlich den Vögeln als Winterfutter dienen sollen, abnagt und Zug um Zug in seinen Bau schleppt, ist bislang um ein direktes Gefecht mit einer der Katzen der Nachbarn herum gekommen. Schlau wie er ist, verlässt er den Bau nur um sich der Äpfel zu bedienen, wenn weit und breit keine Katze in Sicht ist.
Die Katzen wiederum scheinen b
islang der Strategie zu folgen, bewegungslos vor dem Bau zu warten und darauf  zu hoffen, dass die Beute den  Bau ja irgendwann einmal verlassen muss.  Ich vermute der Hamster weiß dass, wenn da jemand vor seiner Tür  wartet und legt sich schlafen. Und da ein Feldhamster offensichtlich länger schläft als eine Katze bereit ist zu warten, ging diese Taktik  nicht so richtig auf.

Das Katzen allerdings auch  bereit sind zu lernen und ich jetzt erklären kann, warum ich diesen kleinen Bericht unter die Überschrift  „Wenn ich es nicht selber gesehen hatte“ gestellt habe, hat den Grund darin, dass ich heue morgen eine Katze sah, mit einem Apfel im Maul, und diese Katze den Apfel direkt vor das Eingangsloch des Feldhamsterbaues ablegte und sich dann sofort wieder in Lauerstellung begab.

Ich war baff, es ist spannend in unserem Garten.  Ob die geänderte  Jagdstrategie der Katzen zum Erfolg geführt hat, entzieht sich jedoch unserer Kenntnis. Wir haben nie einen Beweis dafür gefunden, dass es zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen Katzen und Hamster gekommen ist.

Dennoch schiehn alles bestens gelöst. Über mehrere Wochen ließ sich keine Hamster mehr in unserem Garten sehen und auch die Katzen hatten ihr Interesse an unserem Grundstück verloren. Nur das große Loch im Rasen blieb als stummer Zeuge eines bislang nicht aufgeklärten Schicksales von Feldhamstern in unserem Garten zurück.

Bis dann über Nacht in der Blumenrabatte, in direkter Nähe des Hauses, ein neues Loch entstanden ist.... Dieses neue Loch, dass in Größe und Beschaffenheit mit dem im Rasen durchaus vergleichbar war, ließ uns vermuten, dass das veremeintlich gelöste Problem zurück war. Dass ein Feldhamster, wenn er offenbar nicht mit Äpfeln gefüttert wird, auf die Stiefmütterchen in der Rabatte zurückgreift, nehmen wir inzwischen gelassen zur Kenntnis. Unsere verbündeten sind Nachbars Katzen...............

Wir haben nachgefragt, bei den zuständigen öffentlichen Stellen und wissen nun, dass wir nichts unternehmen dürfen was den Lebensraum dieses so seltenen wie zu schützenden Nagers einengt oder irgendwie negativ beeinflußt. Auch eine Vergrämungsstrategie verbietet sich. Allein, es ist zulässig, eine Ausgleichsfläche auf unserem Grundstück zu definieren, auf die wir den Feldhamster locken dürfen.....aha.