Der Hosenkauf
Irgendwann ist es dann mal wieder
soweit, zwei bei der Oma zum Reparieren, zwei in der Wäsche und die, die zur
Verfügung stand, konnte den erwarteten
üblichen gesellschaftlichen Standard nicht mehr genügen. Also, ich sah mich
gezwungen in den sauren Apfel zu beißen, mir blieb nichts anderes übrig, ich
brauchte eine neue Jeans.
Nun ist mir bewusst, dass das Angebot an Beinkleidern im ländlich geprägten Raum , selbst dann, wenn man keinen übertriebenen Anspruch an Passgenauigkeit stellt, nicht vergleichbar mit der Auswahl ist, die eine Großstadt an Kleidung zu bieten hat. Mit dem besten Ansinnen, den Erwerb eines neuen Kleidungsstückes zu vollziehen, betrat ich die Herrenabteilung des Gemischtwarenhauses für Kleidung und konfrontierte den Angestellten mit den Informationen, die meine Proportionen an die Abmessungen an eine neue Hose vorgeben. Freundlich wurde ich darauf hingewiesen, dass eine Jeans mit einer 30er Bundweite und 32er Länge nicht so die gängige Variante sei und ich trotz dieses Ausnahmezustandes immerhin zwischen zwei Modellen wählen könnte. Mein kritischer Blick auf die vor mir ausgebreitete Lagerware veranlasste den Berater, mich auf den Umstand hinzuweisen, dass allein, wenn ich gewillt sei, die Weite des Hosenbundes ein wenig nach oben zu verschieben, sich das Angebot sprunghaft verbessern würde und den durch diese Variante zu erwartenden lockeren Sitz durch die Verwendung eines engeren Gürtels man in der Lage zu korrigieren sei. Anderenfalls sei auch eine Übergröße aus der Kinderabteilung durchaus anzudenken, um eine allseits zufrieden stellende Lösung herbeizuführen. Ich verzichtete auf die erweiterten Angebote des Fachverkäufers, der mich in seinem schwarzen Anzug mit „reichlich über den Gürtel hinweg hängendem Bauch“ an ein Tintenfass erinnerte und entschiede mich für ein Modell aus der Lagerware.
Nun ist die Notwendigkeit sich mit
neuer Kleidung zu versorgen nicht allein dem Umstand einer Ersatzbeschaffung
geschuldet, sondern unterliegt vielmehr den Strömungen des Zeitgeistes, mit
Beschaffungszyklen, denen geschlechtsspezifisch unterschiedliche Halbwertzeiten
zu Grunde liegen. Kleidung einzukaufen
ist ein Programm für die ganze Familie und man darf auf das für sich beste
Einkaufsergebnis hoffen, wenn Tintenfass und Ehefrau gemeinsam daran arbeiten,
die ausliegende Frühjahrskollektion Zug um Zug
zur Anprobe heranzutragen. Dass wir auf die Beratungskompetenz meiner
Ehefrau in diesem Fall verzichten mussten, erklärt sich durch eine Anhäufung
wichtiger Termine, deren Erledigung weiter in die Zukunft zu verrutschen drohte,
wenn wir den Erwerb einer neuen Jeans gemeinsam zu erledigen trachten würden. So
wurde ich nur beim Empfangschef abgegeben und aufgefordert nach erfolgreichem
Abschluss meines Vorhabens nach der besten Ehefrau von allen zu forschen, die
sich mit dem Ziel des Schnürsenkelregales des weitläufigen
Gebäudes verabschiedete.
An
diesen Auftrag erinnerte ich mich jetzt, als ich mit einer Plastiktüte unter dem
Arm als deutliches Zeichen des erfolgreichen Abschlusses meiner Mission den Weg
zum Ausgang mit dem Umweg zur Schnürsenkelabteilung, ich den Rückweg anzutreten
gedachte.
Ohne auch nur halbwegs über eine
Orientierung oder einen Lageplan des Gemischtwarenhaues für Kleidung zu
verfügen, machte ich mich auf den Weg zu der mir hinterlassenen Adresse.
Da die Hose gekauft war und die
täglichen Dinge des Lebens langsam in meinen Kopf zurückfanden, schlußfolgerte
ich, dass der Erwerb von Schnürbändern, selbst wenn so wichtige Details wie
Länge, Farbe, Qualität und Umweltverträglichkeit noch mit dem Fachpersonal einer
eingehenden Erörterung bedurften, längst zu einer Entscheidung hätte führen
müssen und ich den Aufenthaltsort meiner Ehefrau jetzt in der Abteilung
für Damenmode vermutete.
Nun präsentiert sich dieses
Gemischtwarenhaus für Kleidung nicht in einer so gewaltigen und beeindruckenden
Architektur und Größe, dass man sich vor dem Betreten mit Hilfe von Lageplänen
oder gar auf die Unterstützung von Navigationssystemen angewiesen ist, um sich
über den Standort der jeweiligen Fachabteilung, die man aufzusuchen gedenkt,
kundig zu machen. In der Erinnerung an die überschaubar Größe der
Abteilung „Für den Herren“, die mich gerade trotz der komplizierten
Verhältnisse
meiner Proportionen mit einer Hose versorgt hatte, bin ich nun in den Weiten der
Abteilung für Damen unterwegs. Als ein nachdenklicher und den Dingen gern auf
den Grund gehender Mensch, komme ich zu
der Erkenntnis, dass, wenn man die Größe des Angebotes aus der Herren- und der
Damen- Bekleidung ins Verhältnis zur Population der Geschlechter setzt, etwa
50 mal mehr Frauen als Männer diese Welt
bewohnen. Gedanklich versunken in den nicht schlüssig erklärbaren Unterschied
hinsichtlich der zumutbaren Tragzeiten von Kleidung zwischen Männern und Frauen,
bemerke ich erschrocken, dass mein neuer Standort jetzt die Miederwaren-Region
für Damen ist. Als gestandener Mann eine Kleinigkeit damit fertig zu werden, ich
verordne mir einen gelangweilten und möglichst teilnahmslosen Gesichtsausdruck,
sehe den Kunden und den Verkäufern nicht ins Gesicht, hüte mich davor, dass mein
Blick an den ausgelegten und angebotenen
Kleidungsstücken für den Damen-Intimbereich haften bleibt… Im Grunde weiß
ich also gar nicht, wohin ich schauen soll….., höre aber deutlich, wie die hier
anwesenden Kundinnen, starr vor Schreck ob meiner Anwesenheit, mir mit ihren
Augen das Wort „Spanner“ in den Rücken brennen. Diesen schrecklichen Angriffen,
denen ich mein vollstes Verständnis entgegenzubringen suche, antworte ich mit
dem unschuldigstem Gesichtsausdruck und dem mir möglich weichestem
Augenaufschlag; „Nein, um Gottes Willen, nicht das was Ihr denkt, suche nur
meine Frau“. Der nächstmögliche Ausgang ist meiner.
Das von mir jetzt befürchtete
Nachspiel mit Befragung zu sittlichen Festigkeit durch Hausdetektiv und
Strafverfolgungsbehörden blieb zum Glück aus. Ich nehme mir vor, zukünftig
konzentrierter durch Kaufhäuser zu wandeln, damit ich die Hinweise „Zutritt für
Männer untersagt“, der auch zwangsweise
hier irgendwo meinen Weg gekreuzt haben muss, nicht wieder übersehe. In
jedem Fall hielt ich es jedoch für angeraten, die Geschäftsleitung darüber in
Kenntnis zu setzen und neben den zu installierenden Zugangs- Verbotshinweisen
den Einsatz einer uniformierten Autorität zu empfehlen, die ortsunkundigen und
in Gedanken versunkenen Männern die Peinlichkeit ersparen sich in den Bereich
der Damen Miedermoden zu verlaufen
Gerade als ich mich mit einer
Formulierung, die ich anonym dem Management des Hauses zustellen wollte,
befasste, wurde meine Aufmerksamkeit auf eine mir freundlich zuwinkende Frau
gelenkt. Die beste Ehefrau von allen, in deren Gefolge eine kleine mit allerlei
Kleidungsstücken überladene Verkäuferin, wahrzunehmen ich in der Lage war,
deutet mir an, dem Duo beim Rückzug in die Anprobe zu folgen, um bei der
Abstimmung über die Passform, den akkuraten Sitz und den richtigen Zuschnitt der
ausgewählten Kleidungsstücke, sowie deren Verträglichkeit mit dem bereits
vorhandenem Bestand, auch meine unmaßgebliche Meinung zu hören. Mein Einwand,
dass ich bereits eine neue Hose gekauft habe, wollte ich als Hinweis verstehen,
dass man den Erwerb von Textilien
durchaus in angemessener Zeit abhandeln kann und der eigentliche Grund unseres
Aufenthaltes somit erledigt war, verhalte indes ungehört.
Flexibel wie ich bin, übernehm ich
ohne Widerworte die mir zugedachte neue Aufgabe die sich immerhin durch das
Privileg auszeichnet, dass ich sitzen darf um Rat zu geben. Ich hielt es jedoch
für geraten, auf die angebotenen und kostenlosen Getränke zu verzichte, um nicht
unnötig in eine moralische Abhängigkeit zu fallen, die dann zu dem Ergebnis
hätte führen können, aus Dankbarkeit für die gereichte Tasse Kaffee unnötige
Kaufentscheidungen zu treffen, die den Familienetat
ungebremst weiter zu belasten drohten.
Also richtete ich mich ein, auf
meinem Beobachterplatz und hoffte im Stillen, dass das Interesse an der
Frühlingskollektion nicht Größenordnungen annehmen möge, die man zeitlich in
Stunden zu messen hätte. Meine gutachterliche Aufgabe war ohne Frage eine ernst
zu nehmende Arbeit, die zweifelsohne nur zu einem qualifiziertem Urteil führen
konnte, wenn man sich nicht scheute, den weiblichen Linien mit kritischem Blick
zu folgen und aus dieser Wahrnehmung die Entscheidung zu fällen was passt und
was nicht. Diese Überprüfung ist jedoch nur zulässig, wenn die eigene
Frau sich im neuen Gewande präsentiert
und es ist dringend geraten,
diese Überprüfung sofort einzustellen, wenn fremde Personen aus der Anprobe die
Bühne betreten, anderenfalls steht man sonst ständig in der Gefahr, als Voyeur
gebrandmarkt zu werden. Offen gebe ich hier persönliche Verfehlungen zu und
gestehe, in Ausnahmefällen selbst auch diese Regel gebrochen zu haben.
UM den „Hosenkauf“ nicht endlos zu
verlängern schließe ich hier nun diese Geschichte ab und zeichne zum Schluss
noch das Bild mehrerer mit Kleidung gefüllter Plastiktaschen, dessen Inhalt wir
besser in den eigenen vier Wänden auf Sitz und Verwendung in der Lage sind zu
überprüfen. Alles was dann durchfällt, wird zurückgebracht, Basta!!!