Verhaftet (beinahe)
"Spreche ich mit
Wolfgang, Wilhelm, Rudi Bornemann?" Diese Anrede haut mich um, wer kennt alle
meine Vornamen und spricht mich damit am? Ich habe also bestätigt "Ja". "Ja hier
Polizeirevier Gronau, Mühr, am Apparat", teilte mir eine Frauenstimme mit.
"Gegen Sie liegt ein internationaler Haftbefehl vor. Ich müsste Sie umgehend
abholen, wenn, ja wenn nicht ihr tadelloses Führungszeugnis dagegen sprechen
würde, kein Eintrag, alles Bestens, auch die Kollegen hier wissen nichts
Negatives zu berichten."
„Der Haftbefehl ist uns gerade vom BKA in Wiesbaden zugestellt worden. Was
können Sie zu Ihrer Entlastung sagen Herr Bornemann?“ Ich: „wie bitte“?
„Ach“, fiel sie mir ins Wort „Wissen Sie was, ich gebe Ihnen jetzt die
Telefonnummer vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden und eine halbe Stunde dazu,
um den Vorfall mit den Kollegen dort
zu klären.“ dröhnte Sie in mein Ohr. „Notieren Sie folgende Nummer“ . Ich
Telefonnummer aufschreiben? das ist schon unter normalen Umständen ein mühsames
Unterfangen, etwas auf herkömmliche Art und Weise mit einem Stift wiedererkennbar
zu Papier zu bringen, jetzt…. aussichtslos. Erschwerend kommt weiter hinzu,
dass ich das Telefon, aufgrund der durch dieses Telefonat kräftig angeheizten
Überbewegungen nicht ruhig und besonnen am Ohr hielt, sondern schwungvoll doch
den Raum schleuderte, was zwangsläufig zur Unterbrechung des Telefonates führte.
Am Klingeln erkannte ich dann, dass es unter dem großen IKEA – Regal gelandet
war. „Ich kann sie auch gleich abholen lassen!“ fauchte mich die nette
Polizistin des Polizeirevieres Gronau an, die es ja offensichtlich so gut mit
mir meinte und mir anbot, von allerhöchster Stelle eine Information zu bekommen,
warum ich verhaftet werden sollte.
Unfähig mit klaren Sinnen zu denken, vielweniger noch in klaren Worten zu reden,
unmöglich etwas leserlich aufzuschreiben hämmerte mir mein Hirn mit ultrakurzer
Wiedervorlagezeit den Begriff „internationaler Haftbefehl“ in den Kopf, immer
wieder.
Ein
aus der digitalen Antike herübergeretteter Taschenrechner auf dem Schreibtisch,
mit vergleichsweise riesengroßen Tasten, rettete mich wohl vor der sofortigen Verhaftung. Es war das Gerät, das ich in der gegenwärtigen Verfassung
bedienen und in das ich die mir genannte Telefonnummer eintippen konnte.
Nach Abschluss dieses Telefonates wäre jetzt wohl der richtige Zeitpunkt
gekommen, alles mal in Ruhe sacken zu lassen und nachzudenken… ja wäre…mir
jedenfalls ist dieser Gedanke nicht gekommen. Mich ritten im Moment wohl 10
Teufel gleichzeitig und das jeder in eine andere Richtung, wobei sie mir ständig
„nur eine halbe Stunde Zeit“ „internationaler Haftbefehl“ „Bundeskriminalamt
anrufen“ ins Ohr brüllten.
Zitternd wählte ich die im Taschenrechner gespeicherte Wiesbadener Nummer des
Bundeskriminalamtes. Nach gerade zweimaligen Klingeln sprach ich mit Herrn
Straub vom BKA.
„Tja, Herr Bornemann“ hörte ich ihn sagen, nachdem er anhand meiner
Personalausweißnummer, die ich ihm vorgestottert habe, er
angeblich meine Identität geprüft hatte.
„Gegen Sie liegt ein internationaler Haftbefehl aus der Türkei vor, Sie haben
bedeutende Kulturgüter widerrechtlich außer Landes geschafft, was sagen sie zu
diesem Vorwurf, Herr Bornemann?“
Nach Fassung ringend und mit derartigen Überbewegungen versehen, dass
Sorge um die Unversehrtheit der in meiner Reichweite positionierten Gegenstände
bestand, erinnerte mich daran, und ich gab dem BKA zu Protokoll, dass wir vor fünf
Jahren an lässig eines Türkeiurlaubes mal einen viel zu teuren Teppich
gekauft haben. „Sie geben den Vorwurf also zu?“ schrie mich das BKA an. „Ich
schicke zwei Kollegen los, die Sie umgehend abholen und hier nach Wiesbaden bringen
werden, halten sie sich bereit.
Unfähig irgendetwas verständliches von mir zu geben
übermittelte ich dem BKA dafür offensichtlich Geräusche durch das Telefon, die
auf eine bevorstehende Schnappatmung hindeuteten.
„Nun
machen sie sich mal nicht verrückt“ vernahm ich die Stimme der Kriminalbehörde,
„schicken sie mir mal bis morgenfrüh alle Unterlagen die sie vom Teppichkauf
haben, ich rede dann mit der türkischen Dienststelle und wenn wir Glück haben
setzt die Behörde dann den Strafbefehl aus.“
Licht am Horizont, meine Gefühlslage besserte sich. Ich versprach das ganze Haus
auf den Kopf zu stellen um die angeforderten Unterlagen zusammenzustellen und
auf dem schnellsten Wege nach Wiesbaden zu senden.
„Machen Sie dass“ hörte ich mein gegenüber sagen, „rechnen Sie aber auch damit,
dass die Türken sich auf diesen Deal nicht einlassen, oder die Aussetzung des
Haftbefehles nur gegen Zahlung einer angemessenen Kaution zustimmen.
Bornemann, wach endlich auf, wie naiv bist Du eigentlich? Jetzt war
ich die Ruhe selbst, und suchte mit Hinweis auf die angekündigte
Hausdurchsuchung nach den Unterlagen des Teppichkaufes, das Gespräch kurzfristig
zu beenden. Ich sollte also eine Kaution bezahlen, damit ich mich
nicht in einem türkischen Gefängnis widerfinde. Lachhaft! Und wenn es
wirklich einen Haftbefehl gegen mich geben würde, dann wären die Polizisten
lägst hier um mich abzuholen, Sie würden nicht über das Telefon nachfragen, ob
ich quasi Zeit hätte mitzukommen.
Spät, doch nicht zu spät, funktionierte mein Hirn wieder normal und gab mir den
Tipp, mal bei der Polizei Gronau nachzufragen, ob es die Kollegin Mühr
gibt und was dieses Theater hier soll.
Die Aufnahme der Anzeige, mit allerdings niedriger Wahrscheinlichkeit auf
Erfolg, bei der örtlichen Polizei hat dann nochmal 2 Stunden gedauert.
Dass das vermeintliche BKA am nächsten Tag tatsächlich noch einmal
anrief und den Eingang der Unterlagen erwartete, reagierte nach kurzer
Zeit mit einem monotonem tüt, tüt, tüt, als ich was von Betrüger und Verbrecher
ins Telefon schrie….