Über die Alpen
Mit dem Fahrrad auf den höchsten Straßen Europas 
unterwegs. Mit eigener Kraft über alle Berge klettern. Die Zeitschrift Roadbike 
schrieb „Es ist die Königsdisziplin für alle Rennradfahrer und ein Traum für 
alle Radverrückten“. 
Alles was ich da las, kann ich nachvollziehen, 
finde mich wieder in den Berichten, vom Schweiß und Schmerzen und dem 
Glücksgefühl mit dem Rad am Passschild angekommen zu sein. Vielleicht waren alle 
berichtenden Gipfelstürmer ein bisschen schneller als ich und vielleicht haben 
sie weniger Pausen für den Aufstieg gebraucht.
Trotzdem, ich reihe mich 
ein in die Riege der Radfahrer, die auch die steilsten Pässe als befahrbare 
Herausforderung und nicht als unüberwindbare Hürde sehen. Ich weiß, was es 
bedeutet bis zu 40km steil bergauf zu fahren und habe Respekt vor jedem, der 
diese sportliche Herausforderung annimmt und sich den Berg hochbeißt. Dennoch 
gibt es einen gravierenden Unterschied zu mir, der mit einem Wort erklärt ist: 
„Parkinson“.
Aufstieg zum Timmelsjoch
- Erinnerungen 
-
Kurz hinter dem Ortsausgang von Hochgurgl ist die Mautstation. 
Jeder, der weiter nach oben will, muss jetzt bezahlen. Radfahrer sind 
ausgenommen. Ich darf ohne Eintritt zum Timmelsjoch. 
Überhaupt nicht 
glücklich bin ich über den jetzigen Streckenverlauf, denn es geht recht steil 
bergab. Ich verliere ca. 200 Höhenmeter! Freuen kann ich mich über die lang 
gezogene Abfahrt, die quasi um einen Berg herumführt, nicht. Hinter dem Berg 
nimmt der jetzt kalte Wind zu und es beginnt zu regnen. Die Baumgrenze ist 
erreicht, rechts und links der Strecke, die wieder steil ansteigt, nur Steine, 
Geröll und karge Flechten. Ich schaue hoch und sehe den Straßenverlauf irgendwo 
in den tief hängenden Wolken verschwinden. Mir frieren die Hände und meine 
Kleidung ist schwer und nass vom Regen. Wenn nur der ekelhafte Gegenwind nicht 
so stark wäre. 
Die Steigung beträgt jetzt irgendwo zwischen 12 und 14 %. Ich bin so langsam, 
dass ich Schwierigkeiten habe im Gleichgewicht zu bleiben und nicht vom Wind von 
der Fahrbahn gedrängt zu werden, Ich fahre am persönlichen Limit. Die 
Weiterfahrt ist eine reine Frage des Wollens geworden. In diesem Mistwetter 
erkenne ich plötzlich am Fahrbahnrand unser Auto, Gisela hat erkannt, dass ich 
angesichts der Wetterverhältnisse Schwierigkeiten haben würde. Nehme den warmen 
Platz im Auto gern an um aufzutauen und zu rasten. Gisela fragt, ob ich nicht 
das Fahrrad einladen wolle um mit ihr weiter zu fahren- sie stellt die Frage, 
obwohl sie die Antwort kennt.  
Das Thermometer im Auto zeigt eine Außentemperatur von 3,5 Grad Celsius. Ich 
stecke meine Hände in Plastikbeutel. Wenn die Finger nicht nass werden, dann 
frieren sie auch nicht so. Gisela will in der nächsten Kehre wieder halten, ich 
nehme das Angebot an und fahre so gut ich kann hinterher. Manchmal hilft es im 
Stehen zu fahren, jetzt nicht, ich komme nicht mehr aus dem Sattel , muss einige 
Verschnaufpausen einlegen, bis ich in einer der nächsten Kurven erneut unser 
Auto sehe. Ich muss aufpassen, beim Anhalten nicht zu fallen.
Von 
hier noch etwa 2 km. Die Frage nach Aufgabe wiederholt Gisela, ich meine Antwort 
auch. Habe zwar versprochen nichts Unüberlegtes zu tun..... ist es noch 
vernünftig weiterzufahren? Ich widerstehe dem Angebot, das Fahrrad einzupacken 
und quäle mich mühsam weiter. Ich weiß um die eigene Enttäuschung, wenn ich 
jetzt abbrechen würde. 
Immer wieder wird die Übersetzung angepasst, nach dem eigenen Rhythmus 
gesucht und nach jeder Kurve gehofft, das die Steigung nachlässt. Dieses 
Szenario, diese Gedanken, dieses Wollen und nicht aufgeben, Reserven 
mobilisieren und fahren am persönlichen Grenzbereich, sich kennen und wissen 
wann es genug ist, sind wichtige Voraussetzungen und werden jedem Radfahrer, der 
sich mit den Alpen einlässt, abgefordert
Radfahren in den Alpen steht nicht nur für Lust. Es steht auch ebenso für 
Leiden und ein bisschen auch für die Lust am Leiden. Dafür, immer weiterzutreten 
– Umdrehung für Umdrehung- auch wenn die Beine schmerzen und die Lunge zu 
verbrennen scheint. Es steht dafür, den kleinen Mann im Kopf zu ignorieren, der 
immer wieder nervtötend fragt: „Warum tust du dir das an?“
Wind und Regen, die nachlassende Kraft, die Steigung, die Luft jenseits von 
2300m Höhe, alles setzt mir zu. Ich brauche meine Pausen, ich gönne sie mir. 
Alles liegt im Nebel, Sicht vielleicht 20 m. 
Erst spät entdecke ich unser Auto, es steht auf dem Timmelsjoch. 
Gedanken
- beim Radfahren -
Ein Radfahrer braucht ein gutes Gleichgewicht, eine gute Koordination sowie 
Kraft und Ausdauer. Diese Eigenschaften sind besonders in den Bergen gefragt, 
wenn man, aufgrund der Steigungen, nur ganz langsam vorankommt. Erschwerend 
kommt hinzu, dass man die meist schmale Straße auch noch mit den motorisierten 
Verkehrsteilnehmern teilt. Sollte man angesichts dieser Bedingungen nicht 
glauben, dass sich ein Parkinson -Patient beim Befahren von Alpenpässen mit dem 
Rad stets in höchster Lebensgefahr befindet?
Wenn ich Rad fahre, folgen meine Bewegungsabläufe offensichtlich anderen 
Mechanismen. Ich fahre auch dann noch sicher Rad, wenn mir andere Bewegungen 
längst schwer fallen. Auf dem Rennrad gibt es für mich keinen Unterschied 
zwischen krank und gesund, es gibt nur Radfahrer und ich bin einer von ihnen.
 
 
Ein letztes Mal
-Abschied_-
So manchen Schweißtropfen habe ich in den 
letzten Jahren in den Bergen und Tälern Tirols liegengelassen. Habe geflucht, 
geschimpft, gezweifelt und war stolz und dankbar, wenn ich, trotz aller widrigen 
Umstände , mit meinem Fahrrad auf den höchsten Alpenpässen angekommen bin.
Zuletzt war ich 2010 in den Alpen unterwegs, das heißt, ich bin inzwischen 
zwei Jahre älter geworden und mein zwanzig jähriger Parki hinterlässt auch bei 
mir immer deutlichere Spuren. Mir ist durchaus bewusst, dass alles seine Zeit 
hat und für mich hier etwas zu Ende geht, dass mich jahrelang gestärkt und auch 
getragen hat. Dennoch, ich bin es mir schuldig, selbst einen Schlussstrich zu 
ziehen, bevor die Zeit ihn mir diktiert und alles in eine gewisse Tragik-Komik 
zerfällt. Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, doch ein letztes Mal wollte 
ich mich der Herausforderung noch stellen. Ein letztes Mal die Zähne 
zusammenbeißen und zwischen Schweiß und Schmerzen die Kraft des Wollens spüren, 
die mich in den letzten Jahren immer ins Ziel getragen hat. Ja, ein letztes Mal 
noch...
  Obwohl es stetig 
bergauf geht, lässt sich der Weg zum Brenner auf der alten Römerstraße ganz 
entspannt befahren. Ich genieße die frühsommerliche Briese, die mir den Duft von 
frischem Heu entgegenweht und hänge so meinen Gedanken nach. Meine Bewegungen 
jetzt, sind rund, gleichmäßig, kräftig und präzise. Mit jeder Umdrehung spüre 
ich wie die Kraft meiner Beine mich vorwärts trägt, der Widerstand der sich mir 
durch die Steigung entgegenstellt, nicht in der Lage ist mich aufzuhalten..Es 
ist ein wunderbares Gefühl so dahin zufliegen,,,,,, Ich versuche gar nicht erst 
zu erklären, warum Parkinson mir manchmal diesen Freiraum lässt, mir bislang 
nicht folgen konnte, in diese Nische. Ich suche nicht nach Antworten, warum ich 
Radfahren kann, wenn mir andere Bewegungen längst schwer fallen, Ich suche 
nicht, denn eine schlüssige Antwort werde ich nicht finden
Warum machst 
du das eigentlich? Wem willst du was beweisen? Ist so eine Anstrengung bei 
deiner Krankheit nicht schädlich? Fragen, die mir so den Kopf wandern, Fragen, 
zu denen mir jetzt die Konzentration fehlt, um eine Antwort zu suchen, Fragen, 
über die ich nie wirklich nachgedacht habe und somit nie beantwortet habe. Die 
einzige Antwort die ich geben kann ist, wenn ich diese bis an die tiefe Substanz 
reichenden Herausforderungen nie angenommen hätte, dann wäre ich um ein ganz 
wertvolles und individuelles Element meines Lebens ärmer geblieben. Ja, es ist 
schon verrückt, sich als ein Parkinsonpatient mit einer 20 jährigen 
Krankengeschichte solchen extremen Strapazen auszusetzen. Ja, es ist verrückt, 
nie habe ich eine bessere Antwort gefunden, eigentlich auch nie danach gesucht. 
Keuchend und eigentlich ausgepowert hänge ich nach 3 Stunden erbarmungslosen 
Anstieges am Berg.. Weit oben ist inzwischen das Ziel zu sehen, auch wenn es 
noch 8 km entfernt liegt. Ich steh am Straßenrand, habe den Kopf auf die den 
Lenker umfassenden Arme gelegt und bin am Leistungslimit. Ich weiß, dass ich 
jederzeit von meinen Begleitern abgeholt werden kann. Ich weiß auch, dass es mir 
viel schwerer fällt als in den letzten Jahren, sich immer wieder zu motivieren 
und die Balance zu finden zwischen Überforderung und einschätzen der eigenen 
Kräfte. Ich weiß aber auch, in welche Frustration ich fallen würde, wenn ich 
jetzt aufgeben würde. Nein, ich werde mich disziplinieren, werde so schonend wie 
möglich meine Fahrt fortsetzen, werde mit dem Fahrrad auf dem Gipfel ankommen, 
diese Glücksgefühl erleben es geschafft zu haben,, ein einziges Mal noch,,, 
bitte ein letztes Mal.
In der kleinsten Übersetzung kurbele ich mich Umdrehung für Umdrehung, Meter 
um Meter, diesen nicht enden wollenden Berg hinauf. Ich zähle die Umdrehungen 
mit. Kann am Stück noch vielleicht 300m fahren, dann Pause. Das Weiterkommen 
fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Die letzten 200m fahre ich obwohl meine Waden 
krampfen, immer weiter, jetzt nicht aufhören, nur kurbeln. kurbeln, kurbeln,
Dann ist es geschafft, ich stehe auf dem 2211m hohem Penser Joch.
Einer meiner Begleiter kommt auf mich zu, will gratulieren und Fotos machen. 
Ich schick sie alle weg, will jetzt meine Ruhe, will allein sein mit mir und die 
Stille genießen. Allein sein mit mir um Adieu zu sagen von Empfindungen, die 
sich wohl nie richtig mit Worten beschreiben lassen, man muss sie erlebt haben. 
Selbstbestimmt aufzuhören und ein letztes Mal "Adieu" zusagen, bevor mir das 
Schicksal und die Zeit das Ende diktieren, das war es, das war ich mir schuldig. 
Ein letztes Mal, ..Adieu und …Danke
So ziehe ich denn nun hier einen Schlussstrich und erinnere mich daran, dass 
ich oft gesagt habe, dass, wenn irgendetwas zu Ende geht, sich auch die Chance 
für was Anderes, was Neues ergibt. Jetzt kann ich beweisen, das dieser Gedanke 
lebt.
Meine Begleiter haben verstanden was in mir vorging. Jetzt ist es Zeit, ihre 
Glückwünsche anzunehmen. Gemeinsam ruhen wir im einfachen Bergrestaurant aus. 
Machen ein paar Fotos und beschließen die Abfahrt über die Südseite mit dem Ziel 
Bozen. 
Welche Ziele und welche Herausforderungen mich zukünftig erwarten, ich weiß 
es nicht, ich lasse diese Frage offen. Ich werde sie mitbestimmen und ich werde 
sie annehmen.
Wolfgang Bornemann