Selbsthilfe (Zukunftsworkshop UCB
Juni 2015)
Leitmotiv Selbsthilfe
Mein Name ist Wolfgang Bornemann, ich habe seit 22 Jahren Parkinson und bin seit
12 Jahren Mitglied des Parkinson Selbsthilfe Vereines PAOL.
Bis zum April
diesen Jahres war ich in diesem Verein, über den ich heute kurz berichten will,
Mitglied des Vorstandes.
PAoL steht für Parkinson online und
wie der Name vielleicht vermuten lässt, organisiert sich der Verein
ausschließlich über das Internet. Ohne die Aussage näher zu untersuchen, sei es
mir doch gestattet festzuhalten, dass die Mitglieder unseres Vereines nicht so
ganz dem Bild des typischen
Parkinson Patienten entsprechen,
denn der Zugang setzt einen Internet- Anschluss voraus. Eine Voraussetzung, die
bei Gründung des Vereines vor 15 Jahren nicht selbstverständlich war und die
PAoL Benutzer bis in die heutige Zeit selektiert. Unsere Benutzer sind in der
Regel gut ausgebildet und sie waren relativ jung bei der Diagnosestellung.
Wir haben im Verein etwa 280 Mitglieder
und um die 800 registrierte Benutzer, denen wir unser Internetangebot kostenlos
zur Verfügung stellen. Und das ist gut so, denn es ist uns ein wichtiges
Anliegen, denen die vielleicht
verzweifelt sind , weil sie z.B. gerade mit der Diagnose konfrontiert wurden,
sofort Hilfe anzubieten und sie nicht vorher über die Hürden von
Beitrittsformular, Passwörtern und Anmeldefristen zu ziehen.
Wer dann den Zugang zu uns gefunden hat, dem steht ein Forum und ein Chat zur
Kommunikation und eine Homepage zur Information zur Verfügung. Auffällig ist der
hohe Bedarf der Benutzer an
Kommunikation, so bewegen sich mehr als 80% der Anwender im Forum und im Chat.
Informationen über die Erkrankung
wie sie unsere Homepage zur Verfügung stellt, gibt es im Internet an vielen
Orten, qualifizierter und sicher auch professioneller als sie ein
Selbsthilfeverein anbieten kann und auch darf. Sich über Publikationen und Texte
zu informieren, ist somit nicht der Kern von Selbsthilfe im Internet
Selbsthilfe im Internet ist der Wunsch nach Kontakt, Kommunikation und
Austausch, Gespräche auf Augenhöhe, das Wissen, Mitglied einer
Solidargemeinschaft zu sein und dennoch, wenn es gewollt ist, in der Anonymität
des Internets zu verbleiben. Diese Möglichkeit, dieser Wunsch oder auch das
Bedürfnis nach Kontakt, um zu reden und zuzuhören, steht täglich 24 Stunden und
7 Tage die Woche zur Verfügung. Das Internet macht es möglich. Aber es sind
nicht nur die Chatrooms, in denen eher die persönlichen Probleme besprochen
werden.
Wenn ich sage, dass Kommunikation ein zentrales Bedürfnis ist,
dann sind es nicht zwingend krankheitsspezifische Schwerpunkte die thematisiert
werden. Es sind in der Regel Themen aus den tagesaktuellen Schlagzeilen, die den
Weg in unser Forum finden und nicht selten laufen mehrere Themen parallel. Es
gibt somit DAS heiße Thema nicht, was nicht bedeutet, dass nicht
leidenschaftlich diskutiert wird.
Was
uns ein wichtiges Ziel ist, beschreibt sich mit den Worten „Unabhängigkeit und
Selbständigkeit.“
Der regelmäßige Kontakt im Chat und im Forum, fördert den Wunsch sich dann doch
einmal persönlich zu begegnen. Der Verein unterstützt diesen Wunsch und
organisiert jährlich ein
„Chattertreffen“, irgendwo in Deutschland. Daneben gibt es regionale Treffen,
die aber von den Mitgliedern selbst organisiert werden.
Was wir
nicht oder nur eingeschränkt leisten können, sind regelmäßige Treffen auf
örtlicher oder regionaler Ebene, wie sie von klassischen Selbsthilfevereinen in
der Regel angeboten werden und sicherlich genauso ihre Bedeutung haben.
Als
Selbsthilfeverein sind wir als „gemeinnützig“ anerkannt. Weitere übergeordnete
Strukturen gibt es nicht. Ein Ziel der Selbsthilfe könnte es sein, im Kontakt
mit anderen SH-Vereinen zu untersuchen, ob es genügend Gemeinsamkeiten
gibt, um Verbände und Strukturen zu schaffen, die die Selbsthilfe in
einer Interessenvertretung zusammenführt, um die
Anliegen der Patienten unabhängig, kompetent und nachdrücklich zu
vertreten.
Wir finanzieren uns durch Mitgliedsbeiträge und über gesetzlich festgelegte
Fördergelder der Krankenkassen.
Alle für den Betrieb des Internetangebotes notwendigen Wartungs- und
Administrationsaufgaben werden von
Mitgliedern mit dem entsprechendem Fachwissen wahrgenommen.
Abschließend kann man festhalten, dass die Selbsthilfe im ganzen Komplex der
Gesundheitsindustrie inzwischen
ihren festen Platz hat. Sie ist für viele Patienten ein alternativloses Angebot,
unter den Bedingungen einer oft schweren oder chronischen Erkrankung, nicht
allein gelassen zu werden. Selbsthilfe ist nicht egoistisch sondern lebt im
Wesentlichen auch durch die Teilhabe an den Problemen von anderen Menschen. Der
selbst an Krebs erkrankte und inzwischen verstorbene frühere französische
Präsident Mitterand hat es einmal treffend formuliert, indem er sagte: „Das
eigene Schicksal ist schon irgendwie zu ertragen, das der Anderen schon nicht
mehr so.“ Ich finde mich in diesen Worten wieder und ich denke auch die
Selbsthilfe hat einen tiefen Bezug zu diesem Gedanken.
Der Gedanke, dass Menschen, ob gesund
oder krank, einander helfen, ist so alt wie die Welt und ein Zeichen dafür, dass
Fürsorge und Mitgefühl durchaus menschliche Eigenschaften sind. Durch Hilfe
selbst Hilfe zu erfahren ist nicht nur ein Wortspiel, sondern
ein hoch emotionaler Prozess, der nie
fertig, nie abgeschlossen und nie erfüllt
ist. Eine Hilfe den Menschen zu sein, die einen Halt suchen, sie nicht
allein lassen mit Ihren Ängsten und Sorgen, gibt
aus sich selbst heraus das Gefühl von „WIR“,
von Geborgenheit und Wärme, und das Beiden, dem Helfer und dem
Geholfenen.
In meinem alten Poesiealbum fand ich diese Zeilen, die mir meine Mitschüler hier
hineingeschrieben haben:
Willst du glücklich sein im Leben,
trage bei zu anderer Glück,
denn die
Freude, die wir geben,
kehrt ins eigene Herz zurück
Wolfgang Bornemann