Mit dem Fahrrad über die Alpen..

Bevor ich mit meinem Reisebericht beginne möchte ich eine Frage, die mir wiederholt auch gestellt wurde,  klären: „Warum machst Du das ?“ Meine Antwort dazu: „Ich weiß es nicht“ und ich will auch gar nicht untersuchen, warum..

Eingepackt, was man so für eine Woche braucht, fahre ich mindestens einmal jährlich mit meine Freunden irgendwo mit dem Rad in Deutschland herum. Wenn man dann über die ersten Fahrten im flachen Land, sich langsam in das Sauerland, die Eifel, Rhön und Schwarzwald traut,  stellen sich dem, der bis hier immer noch nicht genug hat, irgendwann die Alpen als besondere Herausforderung.

Vom Tegernsee zum Gardasee

Also, habe ich ein bisschen mehr mit dem Fahrrad trainiert, meinen Sohn und Freundin gebeten, das Gepäck mit dem Auto über die Alpen zu transportieren und einen sportlichen Kollegen überredet mitzukommen.
Das ich in den Bergen mit dem Fahrrad gut mithalten würde,  wusste ich von den vielen Touren aus den vergangenen Jahren. Doch in den Alpen sollte alles noch ein bisschen anders sein. Nie taten mir die Beine vom Treten und die Hände vom Bremsen mehr weh, als in diesen 4 Tagen in Tirol 

Von Bad Wiessee nach Maurach am Achensee

Ausgestattet mit einem Treckingrad und 28 Gängen einem roten Trikot und einer gepolsterten Radlerhose starteten wir unsere Tour in Bad Wiessee am Tegernsee. Da wir nach fast 10 stündiger Anreise aus Hildesheim die meiste Zeit im Auto verbracht haben, blieb leider nicht mehr viel Zeit zum Radfahren. Das Etappenziel hieß Maurach am Achensee in Österreich. Auf dieser etwa 50 km langen Strecke würden sich uns keine großen Berge den Weg stellen. Unterwegs wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir gerade den 948m hohen Achenpass überquert hätten. Ein nennenswerter Anstieg war das jedoch nicht und so erreichten wir nach etwas mehr als 2 Stunden das inzwischen von unserer Tourbegleitung gebuchte Hotel in Maurach. 

Von Maurach nach Sterzing

Gut gefrühstückt saßen wir um 8:30 auf dem Rad.. Ein bisschen neidisch auf Henning und Maren, die noch schliefen und den Auftrag hatten mit uns um 16:00 Uhr in Sterzing zusammen zutreffen um über Stopp oder Weiter zu entscheiden.
Steil  bergab ging es zunächst ins Inntal, wobei man immer weiß, wenn man jetzt bergab fährt, muß man später wieder hinauf, denn das Ziel ist über die Alpen, nicht unter durch.
Weiter ging es in Richtung Westen auf der B171. Mein Kollege mit dem Rennrad legt einen 28 Schnitt vor, mit meinem Trackingrad habe ich Schwierigkeiten mitzuhalten.
In Völders verlassen wir die B171 und biegen nach links auf die alte Römerstraße ab. Der Anstieg nach Tufles mit etwa 18 % beweißt, dass nicht nur die Pässe in den Alpen steil sind. Dennoch gilt: "geschoben wird nicht". Ich fahre auf 1:1 und quäle mich Zug um Zug den kurzen aber heftigen Anstieg hinauf.
In einem stetigen bergauf und bergab geht’s über Rinn und Sinstrans nach Patch und weiter nach Matrei, wo wir auf die alte Brenner Straße münden. Stetig aber moderat geht’s  bergauf über Steinach nach Gries, immer auf der alten Brennerstraße entlang. Diese etwa Passage ist mit 5-6 %  Steigung gut zu bewältigen. In Gries machen wir eine Pause.
Diese Pause war notwendig, denn die letzten 3000 m bis zum Brennerpass haben es noch mal in sich. Mit bis zu 15% Steigung windet sich die Straße am Hang hinauf. Wieder fahr ich auf 1:1  mit einer Geschwindigkeit von 4-5km ziehe ich den Berg Stück für Stück hinauf.. Bei dieser geringen Geschwindigkeit ist es bergauf nicht einfach, auch noch im Gleichgewicht zu bleiben. Dennoch, das Ziel vor Augen und durchhalten, bis es geschafft ist. Nach bislang 85 km ist am 2 Tag mit der Überquerung des 1375m hohen Brenners der erste wirkliche Pass bezwungen.
Nach einer kurzen Pause geht’s in einer Schussfahrt weiter auf der alten Brennerstraße nach Sterzing, dem Ziel der heutigen Etappe. Über 20 km fallen wir ins Tal hinab wobei Geschwindigkeiten bis zu 70 km/h erreicht werden und einem die Hände vom Bremsen weh tun.
In Sterzing treffen wir zufällig auf die Fußballmannschaft vom TSV 1860 München. Hennnig und Maren holen Autogramme und werden zum Bier eingeladen.
Unser Etappenziel heißt St.Leonnard, , das bedeutet, noch über den Jaufenpass, oder den Jaufenpass auslassen und mit dem Auto die Räder transportieren. Wir beschließen, in Sterzing zu bleiben, denn 100 km und ein Pass sind genug für den Tag. Morgenfrüh dann mit frischen Kräften den Jaufenpass bezwingen und wenn’s zeitlich nicht reicht, eben am Schluss der Strecke kürzen. Ein kluger Beschluss, wie sich am nächsten Tag herausstellen sollte. 

Von Sterzing nach Tarmin

Gut ausgeruht und bei strahlendem Sonnenschein starteten wir in den dritten Tag. Die vor uns liegende Herausforderung war der 2100 m hohe Jaufenpass. Von Sterzing aus bedeutete das, 1200 Höhenmeter auf einer Strecke von etwa 26 km zu überwinden. Die Steigung liegt immer zwischen 8 und 12 %. Es ist und bewusst, dass wir jetzt vor der größten Anstrengung der Tour stehen. Ich fahre voraus, ziehe mich Zug um Zug durch die Kurven, immer weiter bergauf. Es geht nicht ohne Pausen. Wir beschließen, zusammen zu bleiben und wenn notwendig, für einige Minuten zu halten. Es ist erstaunlich, wie schnell man in den wenige Minuten andauernden Pausen regeneriert.
Gefährlich sind die Motorradfahrer, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen überholen. Viel geredet wird jetzt nicht, die ganze Konzentration gehört dem Radfahren. Nach einem langen durch viele Serpentinen geführter Aufstieg lichtet sich der Wald und wir können die Spitze des Berges und den vermeintlichen Pass sehen.
Noch ist es jedoch ein hartes Stück arbeit , wenn auch das Ziel in Sicht ist. Die letzten 1000 m sind noch einmal die Steilsten und wollen nicht enden. Den Blick nur nach vorn auf die Straße und konzentriert durchhalten. Dann ist es geschafft. Absteigen Durchatmen und Erholen.

Wir genießen den Augenblick, für den Aufstieg über 26 km haben wir nahezu 3 Stunden gebraucht. War das die Anstrengung wert? Natürlich habe ich die Frage längst für mich beantwortet....
Nebel zieht auf, wir müssen weiter. Die Abfahrt und die Kurven zwingen uns stark abzubremsen. Schneller als 70 km/h traue ich mich nicht. In kurzer Zeit erreichen wir St. Leonardo. Nach einer kleinen Pause geht es weiter, über Meran , vorbei an Bozen in Richtung Süden. Auf der im wesentlichen gut ausgebauten und leicht abschüssige Strecke kommen wir gut voran. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit pendelt sich bei 28 km/h.  Ein Gewitter zwingt uns zu einem 1 ½  stündigen Stopp. Bis zum Etappenziel Tramin am Kaltere See sind es noch etwa 30 km. Der Zwangsstopp hat mich aus dem Tritt gebracht. Trotz des Gewitters ist die Luft schwer und schwül. Ich spüre, dass ich heute an meine persönliche Leistungsgrenze stoße. Die schweren Beine lassen jetzt auch weniger bedeutenden Anstiege  zur Herausforderung werden. Noch 16 km bis zum Ziel, wo unsere Begleiter inzwischen ein Hotel gefunden haben. Die letzten 6 km geht es zum Glück bergab.
Um 18:30 h erreichen wir nach ca. 110 km und der Überquerung des Jaufenpasses das Hotel in  Tarmin.. 

Von Tarmin nach Trento.

Wir revidieren das Etappenziel Riva am Gardasee und verständigen uns, bis nach Trento zu fahren. Von Trento zum Gardasee verbleiben noch 40 km, die wir uns schenken, um nicht zu spät die ca. 900 km lange Rückfahrt anzutreten.

Von Tarmin fahren wir auf einem wunderbar breiten und asphaltieren Radweg entlang der Etsch. Wir finden heraus, dass dieser Radweg schon weit vor Tarmin beginnen muß und wahrscheinlich irgendwo im Bereich um Meran seinen Anfang hat. Um 11:00 Uhr erreichen wir nach 50 km und einer entspannten Fahrt Trento.
Am verabredeten Treffpunkt verladen wir unsere Räder, verstauen unser Gepäck und genießen die Rückfahrt im offenen Cabrio.

Vielen Dank Maren und Henning, dass ihr uns mit dem Auto begleitet habt, unser Gepäck transportiert und Quartier besorgt habt. Vielen Dank meinem Kollegen, dass ich nicht allein fahren musste..
Auf der Rückfahrt kreisen meine Gedanken noch immer um ein sehr individuelles, spannendes aber auch anstrengendes Erlebnis, vielleicht darf ich es auch Abenteuer nennen, dem ich mich gestellt habe und dem ich gewachsen war, trotz Parkinson im 11. Jahr..

Ich bin zufrieden